Vier Fünftel der Verantwortlichen im Betrieb sehen im Stress die größte Gesundheitsgefährdung an ihrem Arbeitsplatz und die Hälfte empfinden dies als erhebliche Belastung. Es fehlt in den Betrieben das Wissen, wie die psychische Gesundheitsgefährdung reduziert werden kann und wo es dazu Unterstützung gibt. Das ist das Ergebnis einer Online-Umfrage, die der AMD Salzburg im Herbst 2012 an 12.000 Salzburger Betriebe versandt hat.
Knapp 1.000 Antworten liefern ein gutes Stimmungsbild zum Umgang mit psychischen Belastungen im Betrieb. Wie die Umfrage ergab, sehen vier Fünftel aller Befragten (86 Prozent) Stress als die größte Gesundheitsgefährdung und die Hälfte fühlt sich in ihrem beruflichen Alltag belastet. Mit 83 Prozent beinahe genauso hoch ist die Zahl derer, die Stress als größte Gesundheitsgefährdung bei der Arbeit ihrer Mitarbeitenden und KollegInnen sehen. Diese alarmierenden Zahlen drücken aus, dass Arbeitnehmende und Arbeitgebende zur Bewältigung ihrer Arbeit täglich unter großem Druck stehen. Aber wie gehen die Betriebe damit um? Wie schätzen die Beschäftigten und Verantwortlichen in den Betrieben die zunehmenden psychischen Belastungen ein?
Wie das Stimmungsbild ergibt, orten die Befragten die Ursache für psychische Belastungen vor allem im privaten Bereich. Für 74 Prozent der Verantwortlichen in den Betrieben sind die psychischen Grenzen, an die die Menschen im Alltag stoßen, eine mögliche Ursache. Da diese in der Freizeit und der Familie immer mehr gefordert sind, bleibt eine Regeneration für die Arbeit auf der Strecke, erklärt der Großteil der Befragten. Mehr als ein Drittel der Befragten nennt die Zunahme an psychischen Erkrankungen als weiteren Grund. Nur 20 Prozent der Männer, jedoch bereits 35 Prozent der befragten Frauen sind zudem der Meinung, dass auch die zum Teil ungelösten Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für psychische Probleme am Arbeitsplatz verantwortlich sind.
Warum sich die meisten Betriebe des Themas nur sehr zurückhaltend annehmen, erklären sich zwei Drittel der Verantwortlichen im Betrieb (63 Prozent) mit dem fehlenden Wissen im Umgang mit psychischen Belastungen. Mehr als zwei Fünftel der Befragten (46 Prozent) sehen keinen Gestaltungsspielraum, da der Wettbewerb eine immer höhere Leistung verlangt. Ein Drittel der Befragten (33 Prozent) erachten Unsicherheit oder sogar Angst, sich von den subjektiven Einschätzungen der Mitarbeitenden abhängig zu machen, als Hürde sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Die Einschätzung, dass psychische Probleme aus dem Privatbereich in den Betrieb getragen werden, ist nur für ein Viertel der Verantwortlichen in den Betrieben Ursache für die Zurückhaltung.
Entsprechende Ansatzpunkte zur Reduktion psychischer Belastungen sehen 48 Prozent der Verantwortlichen in der Erarbeitung von Maßnahmen im Betrieb durch Einbindung der Mitarbeitenden und 47 Prozent in der Verbesserung von Aufgabenanforderungen und Tätigkeiten. Für 44 Prozent der Befragten ist in dieser Frage auch die Gesundheitsbildung zur Ressourcenstärkung ein Thema. Allerdings sehen erst knapp ein Viertel der im Betrieb Verantwortlichen in der ab 2013 gesetzlich verpflichtenden Evaluierung ein Verbesserungspotential für psychische Belastungen.
Eine weitere Ursache wird darin liegen, dass die Verantwortlichen in den Betrieben, die von ihrer Arbeit psychisch belastet sind (immerhin 50 Prozent der Befragten) den Ansatzpunkt nicht im Betrieb sehen. 54 Prozent vertreten die Ansicht, sie müssten damit selber fertig werden oder suchen sich Unterstützung im privaten Umfeld (53 Prozent). Hilfe durch einen Coach oder eine/n Psychotherapeut/in erachten hingegen lediglich 28 Prozent der Befragten als notwendig. In den ArbeitsmedizinerInnen oder HausärztInnen sehen nicht einmal 10 Prozent die Ansprechperson.
Dass psychische Belastungen auch zum Arbeitsalltag ihrer Mitarbeitenden und KollegInnen gehören, bejahen 51 Prozent der Befragten. Allerdings herrscht Unklarheit von welcher Seite Unterstützung angefordert werden kann. Mit nur 34 Prozent wird die betriebliche Gesundheitsförderung am häufigsten genannt. Nur 28 Prozent sehen in externen ArbeitspsychologInnen eine Chance. Dass nur 33 Prozent in den eigenen ArbeitsmedizinerInnen eine Hilfestellung zur Bearbeitung der Belastungen sehen, lässt auf eine bislang ungenützte Ressource schließen.
Angebote für Betriebe
Die bestehenden Angebote zur Bearbeitung psychischer Belastungen sind in den befragten Betrieben noch nicht in ausreichendem Maße bekannt. So kennen mehr als zwei Fünftel der Verantwortlichen in den Betrieben (43 Prozent) die betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) und knapp jede/r Dritte (28 Prozent) weiß über das erst seit kurzem bestehende Angebot von fit2work (28 Prozent) Bescheid. Hingegen erst jeder/m Vierten sind die Informationsangebote der Arbeiterkammer und des österreichischen Gewerkschaftsbundes ein Begriff und nur knapp jeder Fünfte (19 Prozent) kennt die Informationsangebote der Arbeitsinspektionen (18 Prozent).
Die Verantwortlichen in den Betrieben sehen im Stress die größte Gesundheitsgefährdung für sich selbst und ihre Mitarbeitenden. Das Stimmungsbild spiegelt jedoch, dass die Ansatzpunkte etwas zu tun, nicht primär im Betrieb gesehen werden. Die Ursachen lägen im Privaten und in den Sachzwängen der Zeit. Die Frage nach den Ursachen für die Zurückhaltung der Betriebe zeigt, dass es den Verantwortlichen in den Betrieben an Informationen und Wissen über mögliche Handlungsoptionen fehlt. Dass die Mehrheit nicht im Betrieb die Verbesserung für ihre Situation sieht, offenbart, dass es für die verstärkte Auseinandersetzung mit psychischen Belastungen in den Salzburger Betrieben neben der Aufklärungsarbeit auch an den Einstellungen anzusetzen ist. Bei psychischen Belastungen Hilfe in Anspruch zu nehmen ist genauso normal wie bei körperlichen Belastungen.