Beim Fotografieren von Kindern in Schulen, Kindergärten oder Spielegruppen ist Vorsicht geboten. Die Veröffentlichung solcher Bilder unterliegt gesetzlichen Schranken und kann teure Prozesse nach sich ziehen. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Kinder fotografiert werden und wann darf man die Bilder veröffentlichen? Ein Leitfaden.
Was ist das Recht am eigenen Bild?
Das Recht am eigenen Bild ist wie das Namensrecht ein Persönlichkeitsrecht. Es besagt, dass Bilder ohne Zustimmung des Abgelichteten nicht veröffentlicht werden dürfen, wenn dadurch berechtigte Interessen verletzt werden. In diesem Fall dürfen Bilder weder in einer Zeitschrift abgedruckt noch im Internet bei sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram oder Twitter hochgeladen werden. Berechtigte Interessen sind in der Regel dann verletzt, wenn es sich um entwürdigende oder bloßstellende Aufnahmen handelt oder die Fotos zu Werbezwecken verwendet werden.
Was muss bei Minderjährigen berücksichtigt werden?
Bisher ging man davon aus, dass im Falle von Minderjährigen, die abgelichtet werden, die Zustimmung der Erziehungsberechtigten zur Veröffentlichung ausreicht. Laut einem OGH-Urteil aus dem Jahr 2016 kann eine fehlende Einwilligung des Minderjährigen nicht durch eine Willenserklärung der Eltern ersetzt werden, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich betroffen ist. Vielmehr bedürfe es einer natürlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, muss der Fotograf beziehungsweise derjenige, der das Bild veröffentlicht, selbst beurteilen. Fehlt beim Kind die nötige Einsichts- und Urteilsfähigkeit, kann die Zustimmung zur Veröffentlichung weder durch gesetzliche Vertreter noch durch Sachwalter oder Pflegschaftsgerichte ersetzt werden.
Darf ich Minderjährige überhaupt nicht mehr fotografieren?
Das Fotografieren selbst ist nicht verboten. Allerdings ist die Veröffentlichung der Bilder unter Umständen zustimmungspflichtig. Fotos, die von Kindern in Schulen, Kindergärten oder Spielegruppen gemacht und später veröffentlicht werden, können problematisch sein. Sofern die Zustimmung der einsichts- und urteilsfähigen Kinder vorliegt, dürfen Kinderbilder auch weiterhin veröffentlicht werden. Eine Einsichts- und Urteilsfähigkeit wird bei Kindern ab 14 Jahren in der Regel gegeben sein. Darüber hinaus dürfen auch Fotos gepostet werden, deren Veröffentlichung die Interessen der Kinder nicht beeinträchtigt. Ist das Kind noch sehr jung und fehlt es an der nötigen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, dürfen Fotos nur veröffentlicht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Kindes nicht verletzt werden. Ein berechtigtes Interesse liegt beispielsweise vor, wenn das Kind auf herabwürdigende Weise oder in einer peinlichen Situation abgelichtet wird. Auch im Falle von Werbezwecken wird von einem berechtigten Interesse ausgegangen.
Welche Vorgehensweise ist ratsam?
Ob ein Bild problematisch ist oder nicht, hängt vom Einzelfall ab. Im Zweifel sollte daher ein Anwalt die Veröffentlichung prüfen. Weiters empfiehlt es sich, die Einverständniserklärungen im Lichte der neuen Judikatur anzupassen. Ein flüchtiges Gespräch mit dem Kind bei laufender Kamera, in dem die Tragweite der Veröffentlichung erläutert wird, sollte in den meisten Fällen ausreichen, um die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit zu dokumentieren. Auch eine kurze Notiz kann als Nachweis hilfreich sein.
Sollte man weiterhin auch die Einverständniserklärung der Eltern einholen?
Obwohl die Zustimmung der Eltern die Einwilligung des minderjährigen Kindes gemäß der aktuellen Judikatur unter Umständen nicht mehr ersetzt, empfiehlt es sich dennoch, die schriftliche Zustimmung der Eltern einzuholen. Deutet vieles darauf hin, dass das Kind und sein Umfeld mit der Veröffentlichung einverstanden waren, liefert das im Falle einer Abmahnung gute Argumente. Vor Anwaltsbriefen und Klagen ist man trotzdem nicht gefeit. Ein Gespräch mit dem Minderjährigen, in dem man sich ein Bild von der Einsicht- und Urteilsfähigkeit macht, ist jedenfalls zu empfehlen.
Was kann passieren, wenn Bilder ohne Zustimmung veröffentlicht werden?
Ein Verstoß kann Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Unterlassungsansprüche verjähren im Urheberrecht nach 30 Jahren. Wurden die Bilder im Internet gepostet, beginnt die Frist erst mit dem Tag zu laufen, an dem die Bilder gelöscht wurden. Urheberrechtsprozesse sind teuer.
Autor: Mag. Stephan Kliemstein
Mag. Stephan Kliemstein ist Rechtsanwalt und Partner bei der König & Kliemstein Rechtsanwälte OG in Salzburg. Kliemstein publiziert unter anderem in den Salzburger Nachrichten und in Fachzeitschriften. An der FH Salzburg unterrichtet er im Masterstudiengang MultiMediaArt (MMA). Zu seinen Spezialgebieten zählen das Medienrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Markenrecht sowie das IT- und Datenschutzrecht.
Infos:
E: kliemstein@ra-salzburg.at
T: 0662/251711
T: 0662/251711-45
Mag. Stephan Kliemstein
Rechtsanwalt & Partner
König & Kliemstein Rechtsanwälte OG