Eine Gesetzesnovelle, die Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) Anfang November in Begutachtung geschickt hat, soll die schon länger angekündigte tägliche Turnstunde an Ganztagsschulen auf den Weg bringen. Durch Turnstunden und Sport im Freizeitteil soll es jeden Tag eine Stunde Bewegung geben, dafür sollen auch vermehrt Trainer aus Vereinen an die Schulen geholt werden. Ganztagsschulen dürfen dem Entwurf zufolge zwar weiterhin autonom festlegen, wie viel Zeit für Lernen und Freizeit vorgesehen ist. Künftig sind dabei aber „Bewegungseinheiten in ausreichender Zahl sicherzustellen“, so dass es fünf davon pro Woche gibt. Außerdem dürfen laut Entwurf nicht mehr nur Freizeitpädagogen die Schüler betreuen, sondern auch Sporttrainer. Durch die Öffnung der Schulen für Vereine und Sporttrainer erhofft sich Heinisch-Hosek u. a. mehr Vielfalt beim Angebot. (www.orf.at)
Chance oder Risiko für die Vereine?
Wir sind gespannt auf die tatsächliche Umsetzung. Interessante Berufsfelder werden sich hier auftun. Die groß angekündigte Öffnung der Schulen für Vereine klingt zunächst sehr spannend. Allerdings könnte es interessant werden, wie die Vereine das abdecken. Sehr viele Trainer in den Vereinen sind ehrenamtlich im Verein tätig und gehen tagsüber ihrem Beruf nach. Natürlich wäre das nun grundsätzlich eine tolle Möglichkeit für Vereine von Ehrenamtlichkeit auf Hauptamtlichkeit umzustellen oder bestehenden Vereinstrainern zusätzliche Betätigungsfelder einzuräumen. Die Frage stellt sich, wer von einigen Turnstunden am Nachmittag in der Schule und anschließend im Verein leben kann bzw. will.
Nicht selten wird die Ganztagsschule als Bedrohung für Vereine gesehen. Wenn die Kinder den ganzen Tag in der Schule verbringen, wieviel Zeit bleibt dann noch für Sportvereine?
Berufsausbildung?
Bis dato ist es so, dass (trotz Sportlehrermangel) Sportwissenschafter, mit abgeschlossenem Diplomstudium offiziell nicht an einer Schule das Unterrichtsfach Bewegung und Sport unterrichten dürfen. Auch das Diplomstudium beinhaltet Vorlesungen und Seminare im Bereich Pädagogik. Nun dürfen Sporttrainer in die Schulen. Wenn keine staatlich anerkannte Trainerausbildung nachweisbar ist, dann wird in Ausnahmefällen sicher ein Wochenendkurs auch reichen – im Verein reicht das ja auch. Da stellt sich die Frage, wie das zusammenpasst, und wie die Qualitätssicherung gewährleistet wird. Ein Vereinstraining mit Schulunterricht zu vergleichen, ist sehr mutig, denn diese zwei Zielgruppen sind sehr unterschiedlich und benötigen zweifellos eine andere Betreuung.
Ich denke, dass durch diesen Vorstoß der Bildungsministerin eine reelle Chance besteht, Sport wieder als Selbstverständnis in den (Schul-)Alltag zu integrieren und dass die Schüler von den positiven Wirkungen profitieren. Wird diese Initiative aber nur als „Beschäftigungstherapie“ für unseren Nachwuchs verstanden und halbherzig, konzept- und perspektivenlos umgesetzt, könnte der Schuss nach hinten losgehen.
Christine Jahnel