AVOS News
Wer seine Liebsten pflegt,
vergisst sich oft selbst
Und plötzlich ist das Leben anders: Wenn Verwandte oder Freunde aus gesundheitlichen Gründen auf Hilfe angewiesen sind, ist das nicht nur emotional für Betroffene und Angehörige eine große Belastung, auch der Alltag und die Rollenverteilung ändern sich gravierend. Hier bietet das Förderprojekt „AuGeN weiter auf“ – eine Abkürzung für „Auf Gesunde Nachbarschaft“ – Unterstützung für betreuende und pflegende Angehörige. Damit Sie neben der seelisch und körperlich anspruchsvollen Aufgabe nicht auf sich selbst vergessen.
„Viele bewältigen die Pflege alleine und übersehen dabei, dass sie an ihre Leistungsgrenze stoßen.“, weiß AVOS-Projektbetreuerin Julia Steiner. „Jede*r braucht Kraftquellen während des Pflegealltags. Egal ob klein oder groß, es passt für jede*n etwas anderes zum Kraft tanken: Angefangen mit Anerkennung und Wertschätzung. Eine regelmäßige Auszeit und kurze Verschnaufpausen gelten als besonders wichtig, denn: Ein Gleichgewicht zwischen Selbstfürsorge und Verpflichtung kann Erschöpfung vermeiden und führt auf Dauer zu einem besseren Gefühl.“
Christine B. (72) kennt das: Über mehrere Jahre hinweg kümmerte sie sich um ihre demenzkranke Mutter. „Ich merkte, so kann es nicht weitergehen. Ich war dabei auszubrennen und lief damit Gefahr, diese Herzensaufgabe nicht mehr zu schaffen“, gestand sie sich ein. Also suchte sie Abwechslung, um eben Kraft zu tanken.
Leichter gesagt als getan – und genau hier greift das Gesundheitsprojekt „AuGeN weiter auf“, das vom Fonds Gesundes Österreich, Gesundheit Österreich, dem Sozialministerium und dem Land Salzburg – Gesundheit gefördert und von der AVOS-Gesellschaft für Vorsorgemedizin GmbH umgesetzt wird. Im Sommer 2019 ist das Projekt gestartet, wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie mit Verzögerungen. „Ein Erfahrungsaustausch unter Betroffenen, eine Sensibilisierung in der Öffentlichkeit für mehr Akzeptanz pflegender Angehöriger sowie Training und Coaching rund um die Pflege und Selbstfürsorge“, erklärt AVOS-Projektleiterin Patricia Lehner. Als Ärztlicher Leiter betreut Dr. Erich Auer, selbst erfahrener Mediziner, das Projekt: „Wir versuchen zum Beispiel über Senior*innentreffen und die Gemeinden pflegende Angehörige mit leicht umsetzbaren Ideen für ihre Gesundheit zu erreichen.“
Also Hilfe zur Selbsthilfe für Angehörige, die sich für ihre Liebsten aufopfern. „Es gibt viele Angebote, die aber erfahrungsgemäß nicht häufig genutzt werden“, weiß Steiner um die persönliche Hürde für Angehörige, sich selbst einzugestehen, dass auch für die Pflegenden die Kraft am Limit sein kann. Steiner. „Beim Zeit für sich selbst nehmen kommt es leider häufig zu Schuldgefühlen.“
Die Folge: Viele Angehörige, die ihre Liebsten pflegen, räumen sich selbst zu wenig Platz im Leben ein, verzichten etwa auf Freizeit, schauen nur, dass sie Alles unter einen Hut bringen. Dabei würden schon kurze Auszeiten wie ein Spaziergang, Gartenarbeit oder einfach in Ruhe einkaufen gehen können, eine große Abhilfe schaffen. „Ich habe vieles ausprobiert, bis ich für mich eine Hilfe gefunden habe, die sich auch gut anfühlte. Ein mobiler Pflegedienst hat mir dabei wichtige kurze Pausen verschafft“, erzählt Erni G. (82), die ihren Mann bis zu dessen Tod gepflegt hat. „Für mich waren meine Chorproben wichtig und ich bin dank der Hilfe meiner Familie sogar auf Urlaub gefahren – ohne Schuldgefühle“, sagt hingegen Christine B.
Hilfe annehmen ist in Ordnung und wichtig
Um die eigenen Bedürfnisse zu respektieren und sich damit selbst auch als Person wahrzunehmen und wertzuschätzen haben die AVOS-Gesundheitsreferent*innen die richtigen Tipps parat und diese in einer neuen Broschüre zusammengefasst. Steiner: „Ein guter Anfang für die Selbsthilfe ist es, sich Pausen zu gönnen. Fixe Pausen als Zeit für einen selbst einplanen.“ Und es ist keine gefühlte Niederlage, wenn sich pflegende Angehörige bei ihrer anspruchsvollen Aufgabe auf Unterstützungsmöglichkeiten zurückgreifen. Ganz im Gegenteil: „Zu überlegen, wer einem helfen kann und nach dieser Hilfe auch fragen und diese annehmen, das ist nicht nur in Ordnung, sondern sehr wichtig. Nur so kann diese intensive Zeit auf Dauer gesund gelebt werden“, sagt Steiner. Das kann von Familienmitgliedern über Nachbarn bis hin zu professionellen Pflegediensten sein.
Es ist auch ein besonderes Anliegen, in der Gesellschaft und vor allem in den Familien und Bekanntenkreisen ein Bewusstsein für die tragende Rolle der pflegenden Angehörigen zu schaffen. Sie leisten im Hintergrund so viel und erfüllen dadurch nicht nur für die zu Pflegenden einen großen Dienst, sondern auch für die Gesellschaft. Eine Wertschätzung für diese oft sehr fordernde, vereinnahmende Aufgabe: Einfach mal danke sagen und fragen ob bzw. wie man helfen kann. Denn auch wenn die Aufgabe gern und mit Herz gemacht wird, ein ernst gemeintes Danke und ein bisschen Anerkennung tun allen helfenden Händen gut.
Christine B. „Das Pflegen von Angehörigen ist eine schöne und intensive Zeit, aber auch eine große Herausforderung. Es darf nicht selbstverständlich angesehen werden und ist auch nicht jedermanns Sache. Selbstvorwürfe oder Vorwürfe jemand anders gegenüber braucht es nicht.“ Und angesichts der sowieso ernsten Situation darf ab und zu ein Treffen mit Freunden, reden und lachen nicht fehlen. „Das tut nämlich der Seele richtig gut“, kann Christine B. heute mit einem sehr guten Gefühl sagen.
AVOS-Gesundheitsreferentin Julia Steiner mit Christine B. (c)AVOS/Grill
„AuGeN weiter auf“ ist ein Gesundheitsförderungsprojekt für ältere Menschen sowie betreuende und pflegende Angehörige von Land Salzburg, dem Fonds Gesundes Österreich und dem Bundesministerium.
Mehr Informationen zum Projekt finden Sie hier
Einen Bericht im „Der Standard“ finden Sie hier
Die „AuGeN weiter auf“-Infobroschüre finden Sie hier zum Download
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