AVOS-News
Die Impfung –
eine medizinische Erfolgsgeschichte
Vakzine und Antibiotika waren maßgeblich entscheidend für einen besseren Gesundheitszustand der gesamten Menschheit.
Die Auseinandersetzung um Impfpflicht und Impfskepsis gibt es seit dem ersten Stich vor über 200 Jahren. Fakt bleibt: Vakzine und Antibiotika waren maßgeblich entscheidend für einen besseren Gesundheitszustand der gesamten Menschheit. Für Salzburgs Hausärzt*innen bedeutet die Corona-Impfung eine Renaissance der ureigensten Aufgaben. Eine Aufwertung.
Die Arbeitstage von Dr. Holger Förster in den Wochen vor Weihnachten waren lang. Als die Europäische Arzneimittelbehörde EMA grünes Licht für den Einsatz des Corona-Impfstoffes von Biontech/Pfizer für Kinder zwischen fünf und elf Jahren gab und auch das nationale Impfgremium der Empfehlung für die Impfung folgte, blieben die Telefone in der Praxis des renommierten Salzburger Kinderarztes nicht mehr still. Förster, AVOS-Präsident und Impfreferent der Salzburger Ärztekammer, war gefragt: Bei Eltern wegen ihrer Kinder, bei Mediziner-Kolleg*innen wegen der Wirkung der Impfung bei Kindern und bei den Medien als professioneller Interviewpartner. „Ich habe mittlerweile mehr Impfungen verabreicht als je zuvor“, sagt er nüchtern. Er nutzte alle freien Kapazitäten nebst normalem Praxis-Alltag.
Und Förster impfte weiter, regelrecht im Minutentakt, auch an den Wochenenden. So wie viele seiner Ärzte-Kolleg*innen. Die Hausärzt*innen erleben in den Pandemie-Monaten eine Renaissance ihrer ureigensten Aufgabe: Impfen. „Die Rolle des Hausarztes hat sich geändert und ändert sich weiter. Jene, die eine Impfung anbieten, gewinnen wieder an Image“, freut sich Dr. Erich Auer für seine Branche. Auer, Salzburger Medizinalrat und mittlerweile pensionierter Allgemein- und Sprengelarzt in Oberndorf, war lange Vorstandsmitglied im Arbeitskreis für Vorsorgemedizin Salzburg (AVOS) und ist heute noch als Ärztlicher Leiter für die regionale Gesundheitsförderung im AVOS aktiv. Und er ist bekennender Impf-Fan.
Die aktuellen Diskussionen und die verbreitete Impfskepsis kann er als Mediziner nicht nachvollziehen. „Ohne Masern-Impfung bekam man früher in Amerika keine Arbeitserlaubnis. Und für manche Fernreisen sind Impfungen mit nachweislichen Nebenwirkungen empfohlen, die ohne großes Nachdenken verabreicht werden.“ Er selbst hat in seinen Jahrzehnten als Hausarzt Krankheitsverläufe miterleben müssen, die mittels Impfung so höchstwahrscheinlich nicht mehr passieren können. Gerade in den 1970er-Jahren, wo die Masern-Epidemie oft schwere Verläufe verursachte. Oder als Kinder mit einer Innenohrtaubheit geboren wurden, weil schwangere Mütter an Röteln erkrankt waren. Oder eine ihm nahestehende Freundin, die heute noch von den Folgen der Kinderlähmung gezeichnet ist. Bis hin zu einem Transport eines Kindes in Begleitung des Hausarztes, das wegen einer Kehldeckelentzündung – verursacht durch die Haemophilus influenzae – zu ersticken drohte.
Heute gibt es dagegen Impfungen. Wie gegen Zecken, eine Gefahr gerade im nördlichen Flachgau, einer roten Zone. „Als 1981 der FSME-Impfstoff zugelassen wurde, sind die Leute zu uns geströmt. Und da hat niemand nach Nebenwirkungen gefragt“, wundert er sich durchaus, warum dieses Thema heute beim COVID-Impfstoff so kritisch diskutiert wird. Förster nennt es die „Angst vor dem Unbekannten“. Ein Erreger, den man nicht kennt, wo es keine Medikamente gibt. Obwohl er als Kinderarzt relativiert: „Eltern sind bei diesem Thema zugänglicher. Die Durchimpfungsrate bei unserer Klientel liegt bei über 90 Prozent.“
Die Geschichte zeigt: Auseinandersetzungen zwischen Impf-Befürworter*innen und Impf-Skeptiker*innen gibt es, seit vor mehr als 200 Jahren die ersten Pocken-Impfungen durchgeführt wurden. Mit prominenten Namen auf beiden Seiten. Hier Kaiserin Maria Theresia, die aus persönlichen Gründen – sie verlor drei Kinder durch die Krankheit – eine Impfung guthieß. Dort der Philosoph Immanuel Kant, der eindringlich davor warnte. An so eine emotional geführte Diskussion wie heute um eine Impfung können sich aber weder Auer noch Förster erinnern. Für beide ein maßgeblicher Faktor: Allgemein, die Medien. „Aufklärung passiert heute über das Internet. Das ist eine Entwicklung, die wir seit Jahren kennen“, berichtet Förster. „Gerade das Internet macht auch fragwürdige Inhalte leicht zugänglich. Da ist leider viel Missinformation dabei“, ortet Auer zudem auch demografische Ursachen: Das Stadt-Land-Gefälle bei der Impfrate, die saloppe Mundpropaganda, die in ländlichen Regionen fehlt und mehr aufklärend sein könnte. „Hier ist die medizinische Beratung durch niedergelassene Mediziner wichtig. Der Alltag des Hausarztes hat sich geändert“, findet Auer. Weniger Hausbesuche, die klassische Visite zu Hause gibt es fast nicht mehr, dazu erschwert die Pandemie allgemein den Kontakt zu den Patienten.
Wie also sollten die Hausärzt*innen die Menschen erreichen, um sie von der Sinnhaftigkeit der Impfung zu überzeugen? „Ärzte haben generell an Status verloren“, gibt Förster zu. „Heute kommen Patienten mit Kopfschmerzen und haben vorher schon im Internet ihre Diagnose gegoogelt. Wir müssen lernen damit fachlich umzugehen, ruhig am Boden bleiben und in Gesprächen mit den Patienten die Informationen sortieren und fundiert zurückgeben“, sagt Förster.
Unabhängig davon bieten viele Hausärzt*innen die Corona-Impfungen an. Obwohl der organisatorische Aufwand enorm ist. „Das Hausarzt-System in Österreich ist ein sehr gutes“, lobt Auer und appelliert an die Branche: „Der Hausarzt muss weiter erster Ansprechpartner für die Menschen bleiben. Empathie ist hierbei wichtig.“ Dass vielerorts eben nicht mehr der vertraute Arzt von nebenan seine Patienten bedient, sondern die Menschen lieber in eine Impf-Straße, ein Impf-Flugzeug, ein Impf-Museum oder einen Impf-Bus gehen, sei „der Zeit geschuldet, dass man das machen muss, um die Leute zum Impfen zu bewegen“, reüssiert Auer. Eine Entwicklung, die auch Holger Förster als „nicht gut, aber leider notwendig“, bezeichnet. „Es sollte schon um die Wirkung einer Impfung gehen. Eine Art Belohnungsschema wie bei Kindern zu etablieren, wirft kein gutes Bild auf eine Gesellschaft.“
Derweil liegt es auf der Hand, dass Impfungen maßgeblich daran Teil haben, dass der allgemeine Gesundheitszustand in den vergangenen Jahrzehnten besser geworden ist. Tetanus, Pertussis, Hepatitis B oder Polio wurden an den Rand jeglicher Erinnerung gedrängt. Die Pocken gelten als ausgerottet, ebenso die Masern. Die Gründe: Im Fall der Pocken auch wegen einer groß angelegten Impf-Kampagne der Weltgesundheitsorganisation WHO und allgemein wegen einer hohen Durchimpfungsrate vor allem im Kindesalter. Dass viele Krankheiten fast ausgerottet sind, ist ein Erfolg der Impfung. Und für Kinderarzt Förster damit Grund genug, seine kleinen Patient*innen weiter gegen SARS-CoV-2 zu impfen. 80 Kinder haben sich für einen Samstag angemeldet. „Es geht weiter. Die ganze Zeit“, läutet erneut das Telefon. Derzeit herrscht nun mal kein normaler Praxis-Alltag.
Der Artikel erschien in der Jänner/Februar-Ausgabe des med.ium-Magazin der Salzburger Ärztekammer.
- 1500 v. Christus: Erste Versuche gibt es in China, Indien und Zentralafrika, den Bläscheninhalt der Pocken, auch Blattern genannt, von leicht erkrankten Menschen auf gesunde zu übertragen.
- Anfang 18. Jahrhundert: Die Methode erreicht Europa über das Osmanische Reich.
- 1796 – die Ur-Impfung: Der englische Landarzt Edward Jenner (1749-1823) überträgt das eitrige Sekret einer Kuhpockenpustel einer erkrankten Magd durch einen Schnitt in den Oberarm auf einen gesunden Jungen und schützt ihn so gegen Pocken. Die Methode wird Vakzination genannt. Vacca ist der lateinische Begriff für Kuh, Vaccinus bedeutet so viel wie „von der Kuh abstammend“.
- 1800: Kaiserin Maria Theresia lässt wegen der Pockenepidemie Massenimpfungen im Brunn am Gebirge durchführen
- 1807: Bayern führt als erstes Land weltweit eine Impfplicht ein
- 1808: Erstes Regulativ in Österreich über ein Impf-Geschehen, basierend auf Ausübung der Kuhpocken-Impfung, wurde erlassen
- 1939: In Österreich wird wegen der reichsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten die Impfpflicht eingeführt, die im Dritten Reich gelockert war
- 1948 kehrt die Impfpflicht gegen Pocken per Bundesgesetz zurück
- 1957: Erste Schluckimpfungen gegen Kinderlähmung in Österreich
- 1974: In Österreich gilt keine Impfpflicht, Gesundheitsministerin Ingrid Leodolter führt aber Empfehlungen mit dem Mutter-Kind-Pass ein, an den die Höhe des Kinderbetreuungsgeld gekoppelt ist
- 1980: Die Pocken gelten laut WHO als ausgerottet
- 1980: Österreich gilt als Poliomyelitis-frei
- 1984: Die Masern-Mumps-Impfung wird in den ersten Österreichischen Impf-Plan aufgenommen
- 1990: Die Tuberkulose gilt als ausgerottet
- 1994: Der Maser-Mumps-Röteln-Impfstoff wird mit einer zweiten Impfung empfohlen
- 2022: Ab 1. Februar soll eine Impfpflicht gegen das Sars-CoV2-Virus gelten
Der Artikel erschien in der Jänner/Februar-Ausgabe des med.ium-Magazin der Salzburger Ärztekammer.