Der AMD-Tipp 04/2024 von Dr. Ortrud Gräf

So geht’s beim Berufsstart
von der Pflicht zur Kür

Gleich „zwei in eins“ bietet der AMD Salzburg beim wichtigen Thema „Arbeit und Jugendliche“ – und bringt den Tipp des Monats April mit zwei Kapiteln auf zwei Seiten, wobei Teil eins hier die Pflicht abdeckt und Teil zwei auf die Kür eingeht, die Unternehmen idealerweise ebenfalls umsetzen.

 

Beim Berufsstart beginnt die Pflicht!

„Alle Arbeitgeber*innen stehen vor der wichtigen Verantwortung, ihre Mitarbeitenden bestmöglich zu schützenvor allem, wenn es sich dabei um Jugendliche handelt”, sagt AMD-Salzburg-Arbeitsmedizinerin Dr. Ortrud Gräf. Dabei greifen neben den AN-Schutzgesetzen (ASchG, B-BSG, BSG S), vor allem das Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz (KJBG), die Verordnung über Beschäftigungsverbote und -beschränkungen (KJBG-VO) und für weibliche Lehrlinge auch das Mutterschutzgesetz (MSchG). So dürfen Jugendliche generell maximal acht Stunden täglich und nur 40 Stunden wöchentlich arbeiten.

2022 wurden laut AUVA 108.000 Lehrlinge in 210 Lehrberufen ausgebildet, 7.100 Lehrlinge sind dabei verunfallt. Die Gründe, dass bei Jugendlichen die Zahlen der Arbeitsunfälle und auch der Wegunfälle besonders hoch sind, sieht die Arbeitsmedizinerin unter anderem an mangelnder Berufserfahrung, jugendlichem Leichtsinn, fehlendem Bewusstsein für Gefahren im Betrieb und die meist noch nicht abgeschlossene körperliche und geistige Entwicklung (z.B. entwicklungsphysiologisch mangelnde Verkehrsreife). Teilweise sind auch nicht ausreichende Aufsicht und/oder mangelhafte bzw. falsche Unterweisung ursächlich.

„Jugendliche befinden sich zudem in der besonderen Situation, neun bis zehn Stunden Schlaf pro Nacht zu brauchen. Gefährdungen durch Schläfrigkeit und Müdigkeit sind nicht zu unter-schätzen. Schläfrigkeit entsteht durch Schlafentzug – nach langem Ausgehen oder einer durchge-lernten Nacht. Um chronischem Schlafmangel vorzubeugen, hilft nur Schlaf! Demgegenüber resultiert Müdigkeit aus über- oder unterbeanspruchenden Aufgaben – Pausen sind angesagt.

Unternehmen, die Jugendliche beschäftigen, müssen diese

  • regelmäßig unterweisen,
  • ausreichend über mögliche Gefahren aufklären und diese
  • bei „untersuchungspflichtiger Exposition” gleich wie Erwachsene zu Eignungs- und Folgeuntersuchungen (VGÜ) schicken.

Generell beschränkt die KJBG-VO das Arbeiten mit gefährlichen Arbeitsmitteln gefährlichen Arbeitsstoffen, physikalischen Einwirkungen oder Arbeiten unter psychischen oder physischen Belastungen.                                                                                                                        

Für Berufseinsteiger*innen ist alles neu. Gefahren werden unterschätzt und Konsequenzen des Verhaltens noch nicht richtig beurteilt. „Viele Jugendliche kennen die eigenen Grenzen nicht.” Risikokompetenz setzt sich (nach bfu, Martignon und Hoffrage 2019) aus Gefahrenbewusstsein (Wahrnehmungskompetenz und Beurteilungskompetenz) und Selbststeuerungsfähigkeit (Entscheidungskompetenz und Handlungskompetenz) zusammen und muss in der Ausbildung gefördert werden:

  • Auf Gefahren hinweisen und die Wahrnehmung schärfen.
  • Einen sinnvollen Umgang mit Risiken aufzeigen und besprechen.
  • Jugendliche in verantwortbarem Rahmen Erfahrungen machen lassen.
  • Aufgaben vorbesprechen, Regeln abmachen und konsequent einfordern.
  • Jugendliche im Auge behalten und bei Bedarf (wiederholt) auf Gefahren hinweisen.
  • Vorleben des risikokompetenten Verhaltens durch Ausbildner*innen.

 

Beim Berufsstart ist die Kür Trumpf!

„Je besser Arbeitgeber*innen auf junge Arbeitnehmende eingehen können, desto besser ist es für beide Seiten”, ist AMD-Salzburg-Arbeitsmedizinerin Dr. Ortrud Gräf überzeugt. „Und über die gesetzlichen Vorschriften hinaus lässt sich auch mit einfachen Mitteln vieles umsetzen. Dafür ist es allerdings Voraussetzung, dass auch verstanden wird, wie Jugendliche ticken.”

Und genau zum Thema „Verständnis“ gibt es eine aktuelle Langzeitstudie des Instituts für Soziologie der Universität Wien von Jörg Flecker und Paul Malschinger, die zu den Zukunftszielen und -sorgen und den Zukunftsvorstellungen junger Menschen geforscht haben. Das Projekt „Wege in die Zukunft” hat gezeigt, dass sich die häufigsten Sorgen darum drehen, keine gute Arbeit zu finden oder zu wenig Geld zu haben. Auch die Sorge, schwer krank zu werden ist stark präsent: diese hegen 37% der weiblichen Teilnehmerinnen und 23% der männlichen.

„Das zeigt deutlich, wie wichtig es jungen Menschen ist, in Zukunft gesund zu leben”, sagt die Arbeitsmedizinerin. Einen großen Anteil daran hat auch die Zeit, die (junge) Menschen am Arbeitsplatz verbringen. „Gesund zu altern ist die Herausforderung – und muss das Ziel sein.” Neben der noch nicht ausgeprägten Risikokompetenz schenken Jugendliche oft auch dem eigenen Körper – und vor allem der Frage, ob, bzw. wie dieser überlastet ist – zu wenig Aufmerksamkeit. Engagierte und gut ausgebildete Ausbildner*innen und die zuständigen Führungskräfte sind gefordert, gesundheitsfördernde Verhältnisse zu schaffen, die mit den Erkenntnissen aus der Arbeitsmedizin, Sicherheitstechnik und Arbeitspsychologie gewonnen wurden. 

Neben der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind Themen wie Erste Hilfe, Brandschutz, Ergonomie, psychische Gesundheit und Gefährdungen auf dem Arbeitsweg von Wichtigkeit.

Besonders sensible Beispiele sind die Baubranche, die eine hohe körperliche Belastung mit sich bringt, aber auch etwa die Branche der Friseur*innen, wo der Hautschutz immer wieder zum Sorgenkind wird”, weiß die Arbeitsmedizinerin. Problematisch sind Berufskrankheiten, die erst verzögert auftreten. Das kann von späteren Schäden am Muskel-Skelett-Systems, die quer durch alle Altersklassen die Krankenstandstatistik anführen, über Hauterkrankungen bis hin zu Allergien reichen. Aber auch psychische Belastungen – wozu schon der Wechsel von der Schule ins Arbeitsleben zählen kann – müssen berücksichtigt werden.

„Je mehr erfahrene Mitarbeitende selbst auf die vorgeschriebenen Maßnahmen – von der korrekten persönlichen Schutzausrüstung bis hin zum richtigen Heben und Tragen – setzen und diese vorleben, desto eher wird das auch für junge Kolleg*innen selbstverständlich”, sagt Dr. Ortrud Gräf. Bewährt haben sich Systeme mit Patenschaften, bei denen je ein*e erfahrene Mitarbeitende einem Lehrling zugeordnet wird, die diesen dann wie bei einem Mentoring zur Seite stehen.

 Weitere Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen, die eine Lehre anbieten, sind  Wir coachen Lehre”, die kostenlose vertrauliche Coachings unter dem Titel „Lehre statt Leere“ abhalten (0800 220074) und Hilfestellungen der Arbeiterkammer Salzburg (0662/8687) und der Wirtschaftskammer Salzburg (0662/8888 0).  

 

Fotos: pixabay.com/OKNord und AMD Salzburg

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